Die Macht der visuellen Kommunikation

Das Gespräch mit Thomas Emrich führte Claudia Stefanizzi-Wurzinger (Leitung Marketing)

Claudia Stefanizzi (CS): Herr Emrich, Sie haben als Technischer Illustrator begonnen, waren später als Technischer Redakteur in Führungspositionen tätig und haben heute über 30 Jahre Erfahrung in der Technischen Dokumentation. Wie es scheint, sind Sie noch immer neugierig auf die Herausforderungen in der Bildkommunikation?

Thomas Emrich (TE): Das Thema begleitet mich seit Beginn meiner Tätigkeit in der Technischen Dokumentation. Als ich anfing, gab es zwar Informationen darüber, wie Technische Illustrationen angelegt werden, jedoch praktisch nichts dazu, wie Bilder als Textersatz aussehen müssen. Das machte mich neugierig – und da es damals und leider bis heute nur wenige Kolleginnen und Kollegen gibt, die sich mit Bildkommunikation beschäftigen, habe ich mich dieser Aufgabe angenommen und sehe mich als jemand, der zu diesem Thema Wissen entwickelt, in der Praxis anwendet und auch an alle Interessierten weitergibt.

CS: Warum aber waren und sind es vor allem die Bilder in der Technischen Dokumentation, die Sie interessieren?

TE: Erstens, weil Bilder – egal ob Fotos, Grafiken oder Piktogramme – ein wesentlicher Bestandteil von Technischer Dokumentation sind und die Dokumente, die ja kaum jemand freiwillig liest, attraktiver und leichter zugänglich machen als ausschließlich textliche Inhalte. Bewegte Bilder, wie wir sie in Videos und Animationen finden, verstärken das Nutzererlebnis sogar noch erheblich. Moderne Formen der Technischen Dokumentation werden auf mobilen Endgeräten abgerufen, da erwarten Nutzer keine starren Texte, sondern vor allem eine visuelle Darstellung von Inhalten.

Zweitens, weil darüber sehr wenig Wissen vorhanden ist und bereitgestellt wird – sowohl in der Fachliteratur als auch in den Studiengängen der Technischen Redaktion. Heute bin ich der Einzige, der im gesamten deutschsprachigen Raum Seminare zum Entwickeln von Bildanleitungen anbietet. Weil das so ist, sehe ich es als Passion und fast schon als meine Pflicht, das über viele Jahre zusammengetragene Wissen an interessierte Kollegen weiterzugeben.

CS: Aber es gibt doch Regeln und Tools mit denen Technische Grafiken und Illustrationen erstellt werden können?

TE: Für die Erstellung von Technischen Illustrationen, also Grafiken, die den Text bildhaft erläutern oder „illustrieren“ gibt es schon lange Regelwerke. Mit Werkzeugen wie CAD- und Illustrationsprogrammen können Technische Illustrationen inzwischen auch verhältnismäßig schnell erzeugt werden. Wenn dies allerdings von Illustrations-Laien gemacht wird, sieht man es den Ergebnissen leider sehr häufig an. Da stimmen die Perspektiven nicht und verwirren den Betrachter oder das Wissen über den Umgang mit Strichstärken, um z. B. ein Objekt plastisch wirken zu lassen, fehlt ganz einfach. Ob ein Profi am Werk war, erkennt man vor allem, wenn Objekte dargestellt werden, die nicht aus dem CAD-Modell kommen und sozusagen selbst konstruiert oder frei gezeichnet werden müssen. Ein typisches Beispiel dafür sind Hände, die für die Darstellung von bestimmten Arbeitsschritten notwendig sind. Diese Hände gibt es nicht für alle Griffpositionen fertig aus der Bilddatenbank – und dann geht es ohne viel Zeichenerfahrung meistens schief. Insbesondere wenn man weiß, dass laut wissenschaftlichen Untersuchungen die dargestellte Handposition vom Nutzer exakt nachgeahmt wird.
Wenig Wissen gibt es allerdings darüber, wie durch Bilder textliche Inhalte komplett ersetzt werden können. Da finden Sie heute selbst im Bereich der Wissenschaft sehr wenig.

CS: In der Technischen Dokumentation spielen die Kosten eine immer wichtigere Rolle. Durch den weltweiten Handel mit den Produkten wird aber die Dokumentation in immer mehr Sprachen benötigt und naturgemäß steigen dadurch vor allem die Übersetzungskosten. Da liegt es doch nahe, mit nonverbalen Mitteln Text und somit Übersetzungskosten einzusparen. Kann man wirklich alle Textinhalte durch bildorientierte Anleitungen ersetzen oder gibt es Grenzen?

TE: Nicht wenige Teilnehmerinnen und Teilnehmer meiner Seminare kommen mit dem Anspruch: „Wir müssen die hohen Übersetzungskosten reduzieren. Machen wir es doch nach dem IKEA-Prinzip. Damit kriegt es doch jeder hin, ein Regal aufzubauen. Herr Emrich zeigen Sie mir bitte, wie das bei unseren Produkten geht“.
So jemanden muss ich dann erstmal einbremsen, indem ich im Seminar zunächst die Grenzen von Bildkommunikation aufzeige. Oft fehlt der Erfahrungshintergrund bei den Technischen Redakteuren und Illustratoren, was viele scheitern lässt. Die Umsetzung ist ganz klar eine Aufgabe für Profis. Meinen Seminarteilnehmern vermittle ich das Wissen über Möglichkeiten und Grenzen von Bildern und ich erkläre, wie man am besten konzeptionell vorarbeitet. Denn diese Vorarbeit in Form von einfachen Scribbles/Skizzen ist ganz entscheidend für eine gelungene Umsetzung.

CS: Die Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer lernen also, ob sich Dokumente textfrei oder zumindest textreduziert umsetzen lassen und wie man grundsätzlich Bildanleitungen konzipiert. Lässt sich das erworbene Grundlagenwissen dann 1:1 auf die eigenen Produkte und Anleitungen anwenden?

TE: Die meisten Teilnehmer bestätigen mir, dass sie das erworbene Wissen auf ihre individuelle Situation übertragen können. Für alle anderen biete ich seit Neuestem einen fortführenden Inhouse-Workshop an. Dieser baut auf den im Basis-Seminar vermittelten Grundlagen auf und am Ende dieses Workshops entsteht ein individueller Konzeptentwurf für die Umsetzung. Vorbereitend für den Workshop wird eine eingereichte Dokumentation in einer Potenzialanalyse untersucht, um festzustellen, ob sich das Dokument oder Teile davon nonverbal umsetzen lassen und sich die Teilnahme am Workshop lohnt.

Es gibt aber auch Kunden, die nach dem Seminar das Potenzial von Bildanleitungen erkannt haben, aber sich selbst nicht weiter in das Thema vertiefen möchten oder können, und die Konzeption und Umsetzung an itl auslagern.

CS: Und wie sehen Sie die Zukunft für die Bilder in der Technischen Dokumentation?

TE: Ich persönlich hoffe und bin auch sehr zuversichtlich, dass die Mission der visuellen Kommunikation weitergetragen wird. In neuen Formen der Technischen Dokumentation werden dem Nutzer unter dem Stichwort „digitale Benutzerassistenz“ kontextsensitiv die Informationsmodule angeboten, die ihm in seiner spezifischen Situation weiterhelfen. Und da spielen Bilder, egal ob Fotos, Piktogramme, Animationen oder Realfilme eine tragende Rolle. Und dies erst recht, wenn wir von elektronischer Dokumentation auf mobilen Endgeräten mit kleinen Displays wie z. B. Smartphones oder Wearables sprechen.

CS: Vielen Dank für dieses aufschlussreiche Gespräch zu einem Thema, das noch immer zu wenig Beachtung in der Technischen Kommunikation findet, ohne das man sich aber die Zukunft gar nicht vorstellen kann.

Sie überlegen sich, ob Ihre Anleitungen auch ein Fall für textfreie Dokumentation sind?

Nützen Sie die Möglichkeit einer kostenfreien Potenzialanalyse Ihrer Dokumentation und schicken Sie Ihre Anleitung als PDF an dokumentation@itl(dot)eu

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