itl wird 35! Die Firmengeschichte Teil 1

itl, eine besondere Firma mit (fast) ganz normalen Menschen feiert 35-jähriges Jubiläum. Grund genug, die Unternehmensgeschichte in einem Rückblick Revue passieren zu lassen – unterhaltsam bebildert mit Fundstücken aus unserem Diakasten.

1982 – 1986: Die frühen Jahre

1982 holte die damalige deutsche Fußballnationalelf den Vizeweltmeistertitel in Madrid und Helmut Kohl wurde sechster Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.

Es war auch die Zeit von „Wissen S', wir stellen grad auf EDV um, kommen S' am besten nächste Woche wieder.“ Jüngeren klingt dieser Satz so skurril in den Ohren wie das Geklapper der Schreibmaschinen jener Zeit. Die letzten „High-Tech-Varianten“ dieser Apparaturen hatten sogar korrigierbare Zeilenspeicher und wechselbare Typenräder. Damit ahnten sie Word & Co. schon voraus, was jedoch nichts an ihrem Niedergang ändern konnte. Für offizielle Depeschen montierte man mit etwas feinmotorischem Geschick z.B. das Typenrad mit serifenlosen Lettern ins Gehäuse. Hardwarebasiertes Formatieren – sozusagen. Für festliche Epistel tauschte man es gegen die gediegenere Times oder eine Art Schreibschrift aus. Die EDV-Umstellung setzte einen Beruf, der heute kaum mehr existiert, in Lohn und Brot: Datentypist/in. Dieser Berufsstand überführte Bedrucktes in binär Verdauliches für Elektronengehirne.

Was muss es damals für ein Gefühl gewesen sein, als rasant Heruntergetipptes nicht mehr Seite für Seite auf einen wachsenden Stapel gelegt wurde, sondern sich wie von Geisterhand zeilenweise vom Monitor verabschiedete und im digitalen Nirwana verschwand? War eigentlich noch alles da? Und wenn ja, wo und wie komme ich wieder dran? Zu Hause bediente sich der gemeine Datentypist aber weiterhin der konventionellen Schreibmaschine, einfach weil ein solcher Rechner samt notwendiger Peripherie aus Kosten- und Platzgründen noch gar nicht zum allgemeinen Hausinventar gehörte.

Es war eine Übergangszeit, und aus Sicht der Technischen Dokumentation eine besondere. Diese gab es nämlich so gut wie noch nicht. Von daher hatte Christine Wallin-Felkner eine bemerkenswerte Geschäftsidee, als sie am 17. August 1982 das Institut für technische Literatur in München gründete und Büroräume in der Von-der-Pfordten-Straße bezog. Das Portfolio der Anfangsphase umfasste Bedienungsanleitungen, Benutzerhandbücher und Installationsbeschreibungen, alles auf Wunsch übersetzt in bis zu fünf Sprachen, dazu Beratung und auch die Herstellung von Druckschriften. Bald wurde ein größeres Büro benötigt, ein Umzug in die unweit gelegene Reutterstraße stand an. Kurz darauf folgte 1984 der Aufbau des Geschäftszweiges Akademie zur Aus- und Fortbildung von Fachautoren und 1986 die Entwicklung des ersten neunmonatigen Vollzeit-Ausbildungsprogramms für Technische Redakteure in Deutschland, das in München und Hamburg angeboten wurde. Mit der Expansion kam ein weiterer Umzug auf itl zu, diesmal raus aus dem ureigenen Viertel nach München Nymphenburg.

Excel hieß damals noch „Multiplan“ und sah ähnlich aus wie das damalige Word und wie überhaupt alles, was über die Alpha-Bildschirme der Rechner flimmerte:

Auch das damalige Equipment ist heute nur noch im Kuriositätenkabinett zu bestaunen:

Wikipedia: „Microsoft Windows 1.0 fand kaum Anklang bei den Benutzern, da für einen sinnvollen Einsatz teure Hardwarekomponenten wie Maus, Festplatte, Erweiterungsspeicher und Farbgrafikkarte benötigt wurden.“ Die Redaktionsstuben boten ein archaisches Bild. Als flankierende Hilfsmittel zu Telefon/Fax und zum geklebten Scribble-Layout gab es bereits einige wenige Elektronengehirne. Rauschende Modems kündeten von emsigem Datenaustausch mit Übersetzern aus aller Herren Länder. Auf monochromen Monitoren tummelten sich dicktengleiche Zeichen, zusammengesetzt aus Pixeln, die Dimensionen von Stubenfliegen besaßen. Kreischende Nadeldrucker tätowierten das Redakteurswerk auf Endlospapier.

Die frühen Tage mit der EDV waren bestimmt von spielerischem Lernen und auch itl experimentierte mit dem Aufbau eines hybriden Rechner„netzes“ aus einer Unix-Workstation Sun 3/50 und einem 486er-PC (oder waren es sogar zwei?) in Eigenregie. Dabei wurde Blut geleckt – und ein rasanter Ausbau forciert. Als fleißige Hilfskräfte fanden sich sehr schnell die Herren FrameMaker, PageMaker und Ventura Publisher ein. Der leider viel zu früh verstorbene Kollege Rudi P. hielt typische Szenen des vernetzten Arbeitsalltags aus kreativem Medienmix von modernen und konventionellen Technologien fest:

1987 – 1991: Expansion

Ende der achtziger Jahre und Anfang der neunziger Jahre engagierte sich itl Gründerin Christine Wallin-Felkner beim Berufsverband tekom – erst als Regionalgruppenleiterin für München, später als 2. Vorstand. So prägte sie die Entwicklung der Technischen Dokumentation in Deutschland entscheidend mit. Das itl Portfolio erweiterte sie in dieser Zeit, indem sie den Übersetzungsbereich ausbaute und dem heutigen Vorstandsvorsitzenden Peter Kreitmeier die Leitung der Übersetzungsabteilung übertrug, den Geschäftszweig Satz und Layout gründete und die Firma zu einem der ersten Full-Service-Dienstleister im Bereich der Technischen Dokumentation machte. Im Informationszeitalter eine visionäre Idee mit Zukunft, wie sich in den kommenden Jahren herausstellte. 1988 absolvierten die ersten „Pioniergewächse“ in München den ersten itl Ausbildungskurs zum „Fachautor für Datenverarbeitung“, wie es damals noch hieß.

Ein Mitarbeiter prägte itl – damals wie heute – ganz besonders mit seinem technischen Verständnis, seiner mathematisch-logischen Denke und seinem Innovationsgeist: Dieter Gust. 1990 entwickelte er für itl die PentaQuest-Methode. Technische Redakteure können seitdem mit den fünf Fragen Wer? – Wem? – Warum? – Was? – Wie? ihre Zielgruppe und den Zweck der Dokumentation definieren und dadurch die Qualität von Technischer Kommunikation steigern. Auch Österreich profitiert vom technischen Aufschwung, und mit der Gründung der itl GmbH und der Eröffnung eines Büros in Linz kommt itl 1991 der Nachfrage entgegen.

1992 – 2000: 10-jähriges Bestehen und technischer Aufschwung

Anlässlich des 10-jährigen Firmenjubiläums 1992 unternahm die damalige Firmenbelegschaft einen gemeinsamen Betriebsausflug zum Wendelstein. Manche waren wahre Bergfexe, andere lediglich Flachlandgänger oder gar nur Couchpotatoes, was eine reichlich illustre Bergwandergruppe ergab. Aber egal, itl macht auch vor den bedrohlichsten Steilwänden der Münchner Hausberge nicht Halt. Doch der Reihe nach:

Die Bergvagabunden zogen am 17. August 1992 im Frühtau zu Berge. Die Fahrt mit dem komfortablen Reisebus führte nach Brannenburg, wo dann bei bestem Wetter der beschwerliche Anstieg vom Busparkplatz zur Talstation der Wendelsteinbahn begann. Mit Unterstützung der ältesten Zahnradbahn Bayerns wurde die gefürchtete Nordostwand bezwungen.

Höhenluft macht hungrig und durstig. Also fand sich die Belegschaft im unweit des Gipfelbahnhofs gelegenen Wendelstein-Basiscamp zu einer ausgiebigen Stärkung ein. Der „Geheimtipp“ zu einem Abstecher, wenn diese erste Etappe bezwungen ist und der Sinn nach weiteren Erlebnissen steht: Der Panoramaweg. Bei kräftigem Föhn soll der eine oder andere Gipfelstürmer von hier aus schon bis zum Nanga Parbat gesehen haben. Aber vielleicht war das auch nur einer Halluzination geschuldet, die sich einstellt, wenn man in luftiger Höh‘ unterwegs ist und sich ab und an einen Belohnungsobstler gönnt.

Beim Jubiläumsausflug musste auf dieses einzigartige Wandererlebnis über den Panoramaweg verzichtet werden, denn die Ausläufer eines umfangreichen Tiefs über der Antarktis drohten in absehbarer Zeit mit Sturm und Hagel auf die nördliche Halbkugel überzugreifen. Die Ausflügler beließen es also bei der Erfüllung gastronomischer Pflichten und wurden mit einzigartigen Ausblicken auf das Treiben einheimischer Alpensherpas und exotischer Zugvögel belohnt.

Frisch gestärkt nahm das itl Team später Abschied vom Basiscamp und trat den Abstieg ins Tal an. Doch die Jubelfeier war mit dem Bergerlebnis längst noch nicht vorbei. Erst nach einem lustigen Kegelabend endete das Happening in den frühen Morgenstunden des nächsten Tages.

Trotz des Betriebsjubiläums wurde 1992 auch hart gearbeitet. Die erste f.i.t. (FrameMaker-Informationstagung) fand erfolgreich statt. Und auch im Folgejahr unterstrich itl seine Kompetenz auf diesem und weiteren Gebieten der Technischen Dokumentation mit einer weiteren Veranstaltung aus dieser Reihe sowie der ersten itl Hausmesse.

Auch der technische Fortschritt nahm seinen Lauf: Im April 1993 wurde auf der Mailingliste www-talk die Revolution des Internets mit folgenden Worten angekündigt: „Hiermit ist die Version 1.0 von NCSA Mosaic, ein vernetztes Informationssystem und ein World-Wide-Web-Browser für Windows-Systeme, freigegeben.“ Außerdem erscheinen neue Text- und Grafiktools, zum Beispiel von Adobe.

Ende 1993 waren etwa 2 Millionen Kopien von NCSA Mosaic im Umlauf. Mosaic war der Browser-Pionier, der es schaffte, neben Text auch (gif-)Bilder durchs Web zu schicken, oder besser: gemächlich zu schieben, und diese sogar mehrfarbig darzustellen. „Herzlich Willkommen bei Compuserve!“ tönte es täglich mehrmals aus den PC-Lautsprechern durch die Redaktionen, was manchem Kollegen den letzten Nerv raubte. Compuserve – wer kennt das noch?

1994 wurden neue Büroräume in der Unteren Mühlstraße in München-Allach bezogen und itl erhielt als einer der ersten Dienstleister für Technische Dokumentation und Übersetzung die Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001. Im selben Jahr startete Sony mit dem Verkauf des ersten PlayStation-Modells die Erfolgsgeschichte der beliebtesten stationären Spielkonsole der Welt und Marc Andreessen stieg aus dem NCSA-Team aus. Er gründete mit anderen das Unternehmen Netscape, dessen neuer Browser Netscape Navigator den NCSA Mosaic rasch als führenden Browser ablöste.

Mit meinem Firmeneintritt (Regine Ceglarek, heute Vorstand der itl AG) im Jahr 1995 kam frischer Wind in die itl Akademie und sie wurde deutlich ausgebaut. Der Fokus damals wie heute: Seminare und Workshops mit Fachwissen, das unmittelbar in der Praxis angewendet werden kann.

1995 war es auch, als itl als einer der ersten Übersetzungsdienstleister ein Translation-Memory-System einführte – damals Transit 2.6. Arbeitsintensive Monate zahlten sich aus, als 1997 die erste Version der itl Website online ging, 1998 itl als erstes Unternehmen ein Lexikon zur Technischen Dokumentation veröffentlichte und 1999 itl als zertifiziertes Adobe Training Center anerkannt wurde. 2000 eröffnete itl eine Außenstelle in Stuttgart und begann mit dem Ausbau des Geschäftszweigs Consulting. Nicht nur eigene Kunden werden seitdem bei der Wahl eines passenden Redaktionssystems beraten.

... hier geht es weiter mit Teil 2: www.itl.eu/itl-blog/details/35-jahre-itl-teil-2

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Wie das alles habe ich live miterlebt? Oder habe ich das nur in einem Museumsvortrag mitbekommen? Als Fan von Marvel's Agents of Shield weiß ich nun gar nicht, war das ein Rücksprung in (m)eine Vergangenheit, die ich nicht selbst erlebt habe und doch nur geträumt? Das Tippen auf einem Klapperdingens wie erzählt, das wäre doch nur eine Art Folter, oder? Und nur Text schreiben ohne Grafiken, ohne Layout, ohne DTP, ohne Visualisierung, wie altertümlich - ach nee das ist ja brandaktuell in diesen komischen Redaktionssystemen. Seltsam, alte und neue Geschichten und Visionen verwischen zu einem seltsamen Mosaikbild -

ver-rückt.

Liebe Christel, lieber Manfred, wir kennen uns noch aus den Anfangsjahren. Was habt Ihr geschuftet! Herzlichen Glückwunsch zum 40-Jährigen :) Beste Grüße, Steffen

[01. Dezember 2017]

Wirklich toll geschriebene Geschichte, die bei mir auch viele Erinnerungen erweckt (56k-Modem, kreischende Nadeldrucker, Scibble-Layout, Ventura etc.). Aber die zahlreichen Kommentare lassen leider vermuten, dass heutzutage kaum einer Zeit zum lesen hat - sehr schade, oder findet sowas jetzt in Twitter & Co statt?

Für mich gehört Ihr jedenfalls zur Spitze der Technischen Kommunikation - Herzlichen Glückwunsch zum 35ten!