Wachablösung bei User Experience und Usability – zwei Beispiele
Weg mit dem Index?
Im letzten Blog-Artikel zur User Experience ging es um die Übernahme von vertrauten Symbolen für neu entstandene Funktionen. Heute stellen wir die Frage: Welches sind die „neuen“ Herausforderungen bei der Nutzung von elektronischer Dokumentation?
Nehmen wir als Beispiel zunächst die Volltextsuche, die auf Papier nicht umsetzbar ist. Bei einer Papierdokumentation bietet stattdessen ein guter redaktioneller Index hoffentlich Ersatz.
Das Synonym für die Nutzung einer Volltextsuche ist heute „googeln“, denn Google hat alle anderen Suchmaschinen geschlagen, indem es ein einfaches Suchfeld für die Volltextsuche anbietet. Hinter den Kulissen arbeitet die Google-Suche mit zum Teil komplexen Algorithmen für die Gewichtung von Fundstellen. Zudem wird noch der Kontext der Treffer mit ausgegeben. Auch schon bei den klassischen Online-Hilfen, wie etwa HTML Help, gab es die Volltextsuche.
Es gibt jedoch nicht wenige, die diese Suche als bedingt tauglich im Vergleich zum redaktionellen Index (den man in der Online-Hilfe auch anbieten könnte) ansehen. Professionelle Dokumentationsnutzer haben jedoch die Erfahrung gemacht, dass nur der Volltextindex praktisch die „Wahrheit“ über die Dokumentationsinhalte präsentiert. Ein meistens sehr unzureichend gepflegter redaktioneller Index deckt bei Weitem nicht alle benötigten „Informationsschätze“ in den Dokumenten auf.
So stellt sich heute bei einer elektronischen Dokumentation nicht mehr die Frage, ob eine Volltextsuche Sinn hat (googeln kann und will jeder!). Vielmehr muss man sich fragen, welche unterstützende Suchfunktionalität eine Volltextsuche für den Anwender optimieren kann. Wichtig erscheinen uns beispielsweise die google-gemäße Umsetzung der automatischen UND-Verknüpfung, wenn möglich eine Eingabefehler-Abfang-Methode („Meinten Sie 'xy'?“) sowie Realtime-Filterungsmöglichkeiten, die sogenannte „facettierte Suche“ (d. h. die Suche über Klassifikationsmerkmale für Topics) und schließlich eine sichtbare Hervorhebung der Fundstellen und ein einfaches Navigieren zwischen den Fundstellen.
Weg mit der Brille?
Eine weitere Möglichkeit, auf die man mit Blick auf eine Papierdokumentation wohl kaum kommt, ist die Zoom-Funktionalität, die eine elektronische Dokumentation bietet oder besser gesagt bieten sollte. Es war wohl erst die berühmte Fingerbewegung von Steve Jobs im Jahr 2007 nötig, die die Zoom-Funktionalität, „Pinch-to-Zoom“ genannt, als eine der herausragenden Usability-Features auf mobilen Endgeräten werden ließ.
YouTube-Videos, bei denen bereits Babys mit ihren Fingern auf allen möglichen Papier-Zeitschriften versuchen zu zoomen, zeigen die Intuitivität dieser Art von Zoom-Funktion.
Technische Dokumentation als PDF oder im HTML5-Format unterstützt auf den mobilen Endgeräten in der Regel den Pinch-to-Zoom automatisch, wenn nicht gerade UI-Experten aus falsch verstandenen Überlegungen heraus genau diese Funktion unterbinden, im Glauben, der Usability gedient zu haben. Gerade das Beispiel des Pinch-to-Zooms zeigt: Zur Definition der optimalen User Experience von Technischer Dokumentation auf mobilen Endgeräten bedarf es auch heute noch vieler Tests, um sich von überholten mentalen Modellen in Bezug auf die Papierdokumentation zu lösen. Anderseits müssen wichtige bekannte Nutzungshandlungen wie z. B. Skimming und Scanning (vgl. etwa den Blog von Jakob Nielsen z. B. How to Write for the Web) vom Papier auf die elektronische Dokumentation sinnvoll übertragen werden.
Pinch-to-Zoom kann beispielsweise für die Kombination aus Skimming und Scanning eine herausragende Rolle spielen. Auf diese Idee kommt man jedoch niemals, wenn man sich nur von der Bedienlogik für das gedruckte Dokument leiten lässt.
Welche Usability-Lösung für mobile Dokumentation als „Dreirad“ oder „Rolls-Royce“ bezeichnet werden wird, hängt also nicht nur vom finanziellen Aufwand ab. Einmal mehr tragen vorhandene mentale Modelle bei den Anwendern entscheidend zur Beurteilung bei. Die optimale User Experience auf Basis geeigneter mentaler Modelle ist einer der Schwerpunkte, die das F&E-Team von itl auch weiter unter die Lupe nehmen wird.
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