Die „Top 11“ Normen für die Technische Dokumentation (Teil 2)

Im zweiten Teil der Top 11 finden Sie zunächst eine knapp erläuterte Liste der gängigsten Normen, die gemeinhin in Technischen Dokumentationen Berücksichtigung finden. Wir beschränken uns auf den Europäischen Wirtschaftsraum EWR, der neben der EU auch die Europäische Freihandelsassoziation EFTA umfasst (die Schweiz ist als Nichtmitglied des EWR über bilaterale Abkommen assoziiert):

  • DIN EN IEC 82079
    Diese Norm ist formal keine „Harmonisierte Norm“ der EU; dennoch ist sie die mit Abstand wichtigste zur Technischen Dokumentation. Sie befasst sich sowohl detailliert mit den geforderten Inhalten, der Qualität bzw. Effizienz der Dokumentation als auch mit Möglichkeiten der Darstellung.
  • EN ISO 12100
    DIN EN ISO 12100 enthält detaillierte Angaben zu generellen sicherheitsbezogenen Benutzerinformationen (6.4) und als Teilaspekt zu der Betriebsanleitung (6.4.5).
  • ISO 3864
    ISO 3864 ist eine mit ANSI Z535 vergleichbare Normenreihe, geht jedoch nicht auf Warnhinweise in Dokumenten ein. Interessant und wohl bar jeder erkennbaren Logik ist, dass ISO 3864 nicht als EN-Norm existiert.
  • EN ISO 7010
    Diese Norm hat die Verwendung von registrierten grafischen Sicherheitszeichen zum Thema.
  • ANSI Z535.6
    Die Norm ANSI Z535.6 befasst sich als erste überhaupt detailliert mit der Darstellung von Sicherheits-/Warnhinweisen in Dokumenten.
  • EN ISO 9241
    Diese Normensammlung beschäftigt sich mit ergonomischen Kriterien der Mensch-System-Interaktion, auf deren Hintergrund wir uns u.a. im Hinblick auf die „User Experience“ beschäftigen.
  • EN ISO 17100
    Dies ist eine Prozessnorm, die sich mit Anforderungen an Übersetzungsdienstleistungen beschäftigt.

Normen erfahren als „Harmonisierte Norm“ einen höheren Stellenwert, wenn sie die Konformität mit der jeweils zugeordneten EU-Richtlinie erfüllen und in diesem Sinne eben als „harmonisiert“ gelten.

Dennoch gilt auch für harmonisierte Normen: „Für den Hersteller besteht keinerlei Verpflichtung zur Einhaltung der harmonisierten Normen“ (Originalzitat Europäische Kommission).

Manche spitzfindige Interpretationen laufen am gedachten Zweck vorbei, wenn sie einer bestimmten zutreffenden Norm oder Richtlinie geringere Anforderungen an eine Technische Dokumentation unterstellen, als die Maschinenrichtlinie dies tut.

Das hat endlich auch die EU-Kommission begriffen und formuliert auf Basis des NLF (New Legislative Framework) die Richtlinien Stück für Stück neu, so dass die in den Richtlinien enthaltenen Informationen zu Anleitungen nun wortgleich lauten. Wir beziehen uns hier auf den Blue Guide vom 26.07.2016, weil dieser quasi als Master für die künftige Ausformulierung der EU‑Richtlinien gilt.

DIN-Normen sind das Ergebnis nationaler, europäischer oder internationaler Normungsarbeit. Normen werden von Ausschüssen beim Deutschen Institut für Normung (DIN), bei den europäischen Normungsorganisationen CEN/CENELEC oder bei den internationalen Normungsorganisationen ISO/IEC nach festgelegten Grundsätzen, Verfahrens- und Gestaltungsregeln erarbeitet. Normen entstehen im Konsens. Das bedeutet, Experten verständigen sich nach Stand der Technik auf gemeinsame Inhalte für den zu nivellierenden Gegenstand oder Sachverhalt. DIN-Normen werden spätestens alle fünf Jahre auf Aktualität überprüft. Entspricht eine Norm nicht mehr dem Stand der Technik, so wird ihr Inhalt überarbeitet oder die Norm zurückgezogen. So zumindest die Theorie.

Laut Dieter Gust und Thomas Emrich sollte eine Benutzerdokumentation eigentlich nur eine grundlegende Norm benötigen, und das ist die (DIN) EN IEC 82079. Die Normenbezeichnung wird übrigens ergänzt durch das Kürzel des nationalen Normungsinstituts, z. B. DIN oder ÖNORM, oder des zuständigen Normungsgremiums wie VDE oder ÖVE. Leider ist die Norm 82079 bisher nicht als harmonisiert gekennzeichnet, offenbar gibt es formale Gründe, die dagegen sprechen.

Die meisten Normen gehören zu den Produktspezifikationen und betreffen die Technische Dokumentation nicht oder wiederholen nur bekannte Grundsätze zu Betriebsanleitungen. Allerdings gibt es zu fast jeder Geräte- oder Maschinenart besondere Sicherheitsnormen, Typ‑C‑Normen bzw. Maschinensicherheitsnormen genannt, die auch „gerne“ Aussagen zu Betriebsanleitungen formulieren. Leider sind diese Formulierungen nicht mit der seit 2012 horizontal (d.?h. für alle Produkte geltend) definierten Norm EN IEC 82079 abgestimmt. Viel besser wäre der einfache Satz „Die Anleitungen müssen die Norm EN IEC 82079 erfüllen“. Gegebenenfalls könnte man dann in einer Sicherheitsnorm wirklich produktspezifische ergänzende Forderungen an Anleitungen nennen.

In der Regel enthalten die C-Normen allgemeine Informationen zur Notwendigkeit von Anleitungen. In manchen Fällen jedoch werden auch sehr spezifische Detailinformationen in Anleitungen gefordert, wie sie die 82079 als generelle Norm für alle Produkte nicht nennen kann. Insofern kommt auch der Technische Redakteur nicht darum herum, die zutreffenden C-Normen auf Relevanz für die Technische Dokumentation zu prüfen. Als Anregung kann man das sogenannte „Schnullerketten-Urteil“ sehen, das sich ausführlich über Rechtsverbindlichkeit von Normvorschriften (mit und ohne Harmonisierungswirkung im Sinn der EU) beschäftigt. Empfehlenswerter Artikel dazu: Schnulleralarm: Warnhinweise für Schnullerketten nach DIN EN 12586 verpflichtend?

Bei den Normen muss unbedingt auf das Erscheinungsjahr geachtet werden, da es jeweils Berichtigungen und Änderungen geben kann. Weil in der EU Englisch in der Regel als Quellsprache definiert ist, muss man das jüngere deutsche Erscheinungsjahr mit Blick auf das Erscheinungsjahr des englischen Originals ggf. relativieren.

Zusätzlich zu den Normen und EU-Richtlinien haben wir auch eine neue Verbandsrichtlinie der tekom in die „Top 11 der Normen und Richtlinien für die Technische Dokumentation“ aufgenommen. Die gängigen Normen und Richtlinien spiegeln längst nicht mehr den technischen Entwicklungsstand der Dokumentationsmedien wider, so dass die tekom sich berufen sah, eine eigene Richtlinie zum Medienwandel – weg vom Papier hin zum elektronischen Dokumentationsmedium – herauszubringen. Dieter Gust ist Mitautor der Richtlinie.

Die Norm DIN EN IEC 82079-1 enthält sogenannte „normative Verweise“, d.h., die Normen, auf die verwiesen wird, müssen so berücksichtigt werden, als würde der Text in der Norm selbst stehen. Leider kann man die Liste der normativen Verweise nur als Anregung interpretieren, weil die Verweise zum Teil „riesige“ Normensammlungen darstellen (z. B. ISO 9241) und die Liste insgesamt eher willkürlich wirkt. Das folgende Bild fasst alle Themen der Norm DIN EN 82079-1 zu einer Übersichtsgrafik zusammen:

Dem Kenner dürfte das meiste bekannt und selbstverständlich sein. Einsteiger werden kochrezeptähnliche Checklisten bzw. Anweisungen vermissen, etwa bei der Gestaltung von Warnhinweisen. Insgesamt setzt die Norm „erfahrene Schreiber und Spezialisten“ voraus und verweist bewusst auf firmenspezifische Styleguides, die konkrete Einzelheiten regeln sollten.

Auf einige Besonderheiten der Norm möchten wir näher eingehen. Grundsätzlich unterscheidet die Norm zwischen Sicherheitshinweisen und Warnhinweisen. Sicherheitshinweise stellen „normalen“ Text dar, werden nicht wie Warnhinweise gestaltet und müssen am Anfang der Gebrauchsanleitung in einem gesonderten Abschnitt oder Teil angegeben werden.

Bei der Gestaltung von Warnhinweisen dagegen bezieht sich die Norm hinsichtlich Farbgestaltung und Signalwortvergabe ihrerseits wiederum auf die ISO 3864-2. Die ISO-3864-Reihe selbst thematisiert allerdings nur Produktaufkleber. Daher wünschen sich zahlreiche Normenanwender konkretere Informationen zu Warnhinweisen in Dokumentationen. Warnungen, die auf Gefahren von Sachschäden hinweisen, sind wie bei ISO 3864 übrigens nicht thematisiert!

In Abschnitt 6.8.6 Signalwörter zitiert DIN EN IEC 82079-1 die Signalwortklassifikation nach ISO 3864 und macht diese Logik damit zum Bestandteil von Warnhinweisen in Anleitungen:

  • Gefahr: Das Signalwort bezeichnet eine Gefährdung mit einem hohen Risikograd, die, wenn sie nicht vermieden wird, den Tod oder eine schwere Verletzung zur Folge hat.
  • Warnung: Das Signalwort bezeichnet eine Gefährdung mit einem mittleren Risikograd, die, wenn sie nicht vermieden wird, den Tod oder eine schwere Verletzung zur Folge haben kann.
  • Vorsicht: Das Signalwort bezeichnet eine Gefährdung mit einem niedrigem Risikograd, die, wenn sie nicht vermieden wird, eine geringfügige oder mäßige Verletzung zur Folge haben kann.

Der Risikograd muss sich aus der Risikoanalyse ergeben und ist somit kein Abschätzen am Redakteursschreibtisch! Die farbige Gestaltung von Warnhinweisen in Dokumenten ist optional. Wenn jedoch Farbe verwendet wird, dann nur gemäß ISO 3864.

In der Dokumentationspraxis bezieht man sich gerne zusätzlich auf die amerikanische Norm ANSI Z535.6 (Product Safety Information in Product Manuals, Instructions, and Other Collateral Materials). ANSI Z535.6 ist die einzige Norm, die Sicherheits- und Warnhinweise in Dokumenten spezifiziert. Die Norm DIN EN IEC 82079-1 kann als IEC-Norm verständlicherweise jedoch nicht auf die rein amerikanische Norm ANSI Z535.6 verweisen.

Auch die tekom bietet übrigens eigene Leitfäden zu Betriebsanleitungen und Sicherheits- und Warnhinweisen:

  • Leitfaden Betriebsanleitungen, 4. Auflage 2014
  • Leitfaden Sicherheits- und Warnhinweise, 1. Auflage 2014

Das SAFE-Prinzip ist ein mnemotechnisches Konzept, das die Strukturierung von Sicherheits- und Warnhinweisen unterstützt:

  •     steht für Signalwort und Schwere der Gefahr
  •     steht für Art und Quelle der Gefahr
  • F     steht für Folgen bei Nichtbeachtung
  • E     steht für Entkommen

Die Norm 82079 verwendet das mnemotechnische Konzept selbst nicht, aber beschreibt direkt, wann die Angaben zur Vermeidung der Gefahr („Entkommen“) überflüssig sind:

„Wenn jedoch den beabsichtigten Zielgruppen die Information zur Vermeidung der Gefahr vollständig bekannt ist, darf diese Information im Warnhinweis selbst ausgelassen werden.“

Zur Frage des Mediums für Anleitungen formuliert die Norm sehr unglücklich:

„In den meisten Fällen, wie z. B. bei Verbraucherprodukten, ist eine gedruckte Version der Gebrauchsanleitung notwendig. Eine ausschließliche Bereitstellung der Gebrauchsanleitung in elektronischer Form ist in vielen Fällen nicht zulässig, z. B. hinsichtlich Einhaltung rechtlicher Anforderungen.“ (4.7.3)

Welche rechtlichen Anforderungen sollen das sein? Es wurde bereits erwähnt, dass durch gesetzliche Formulierungen ein bestimmtes Medium nicht festgeschrieben ist. Das hat das Landgericht Potsdam in dem bisher einzigen Urteil zum Dokumentationsmedium sehr deutlich festgestellt.

Die DIN EN IEC 82079-1 erfüllt als technisches Dokument übrigens nicht die selbst definierten Anforderungen an Verständlichkeit und Informationsqualität. Auch deshalb bemüht man sich bei der tekom um ein umfassendes Update, das 2018 herauskommen soll.

EN ISO 12100 gilt als generelle Sicherheitsgrundnorm. Sie wird ergänzt durch spezifische Sicherheitsnormen (z. B. DIN EN ISO 13849-1/2 Sicherheit von Maschinen – Sicherheitsbezogene Teile von Steuerungen).

Es sei aber davor gewarnt, Formulierungen in Normen und Richtlinien wörtlich zu nehmen und eine Norm/Richtlinie mit den geringsten Angaben zu Betriebsanleitungen als maßgeblich zu sehen. Im Selbstverständnis beider Dokumentarten (Richtlinien und Normen) sind die Detailinformationen nur als Beispiele anzusehen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Sie wollen jedoch die generellen Prinzipien für Anleitungen verdeutlichen.

Insofern tut man gut daran, DIN EN IEC 82079-1 als generelle Grundnorm für Anleitungen zu sehen und die Angaben, wie sie etwa in 12100 stehen, höchstens im besonderen Bedarfsfall als weitergehende Konkretisierung: Die Mindestangaben einer Anleitung bestehen immer aus allen handlungsrelevanten Informationen im gesamten Produktlebenszyklus, zumindest soweit diese sicherheitsrelevant und für die Zielgruppe nicht selbstverständlich sind.

In einer Einleitung nimmt die EN ISO 12100 eine Typisierung von Normen vor:

  • Typ-A-Normen (Sicherheitsgrundnormen) behandeln Grundbegriffe, Gestaltungsleitsätze und allgemeine Aspekte, die auf Maschinen angewandt werden können
  • Typ-B-Normen (Sicherheitsfachgrundnormen) behandeln einen Sicherheitsaspekt oder eine Art von Schutzeinrichtungen, die für eine ganze Reihe von Maschinen verwendet werden können
  • Typ-C-Normen (Maschinensicherheitsnormen) behandeln detaillierte Sicherheitsanforderungen an eine bestimmte Maschine oder Gruppe von Maschinen. C Normen haben Vorrang vor anderen

Auch die DIN EN ISO 12100:2010 macht Aussagen zum Anleitungsmedium:

„Wo die Benutzerinformation in elektronischer Form vorliegt, müssen sicherheitsrelevante Informationen, die schnelles Handeln erfordern, zusätzlich immer gedruckt und sofort zur Verfügung stehen.“

Praktisch können hier nur Produktaufkleber gemeint sein und nicht eine Papierdokumentation.

ISO 3864 spezifiziert die Signalwörter und betont die sonst sprachfreie Gestaltung von Warnhinweisen direkt auf den Produkten selbst. ISO 3864 und ANSI Z535 gelten als weitgehend harmonisiert, bei Warnaufklebern auf Produkten betont ANSI Z535 jedoch neben drastischen Verletzungsbildern auch die textliche Darstellung. Die ISO 3864 hebt die textfreie Verwendung von gelben Warnsymbolen, blauen Gebotszeichen oder rot umrandeten Verbotszeichen hervor:

Die ISO 3864 umfasst in Deutschland vier Untergruppen zur Normierung von Sicherheitsfarben, Sicherheitszeichen und Signalwörtern. An Signalwörtern definiert die Norm – unter Bezug auf die DIN EN IEC 82079-1 – für Warn-und Sicherheitshinweise in Dokumenten drei Begriffe für drei Gefährdungsgrade:

  • Gefahr: Gefährdung, die, wenn sie nicht vermieden wird, ein hohes Verletzungsrisiko oder Todesrisiko bedeutet
  • Warnung: Gefährdung, die, wenn sie nicht vermieden wird, ein mittleres Verletzungsrisiko oder ein Todesrisiko möglich werden lässt
  • Vorsicht: Gefährdung, die, wenn sie nicht vermieden wird, ein geringes Risiko von leichten oder mittelschweren Verletzungen bedeutet.

Zur Farbgestaltung siehe die Beispiele unten. Es ist eher müßig, genaue Farbangaben zu machen, da je nach Druckverfahren oder Bildschirm die Farben unterschiedlich wirken. Als Orientierung hier ein paar RGB-Werte (je nach Fundstelle existieren sehr unterschiedliche Angaben): Signalrot (161/38/45), Signalorange (203/97/25) und Signalgelb (232/191/40).

Zusätzlich und „ohne Not“ – warum eigentlich? – werden solche Warn- und Sicherheitshinweise auch gerne mit nicht immer eindeutigen Sicherheitszeichen angereichert, die der EN ISO 7010 entspringen, wodurch sich ein oft beeindruckendes Informationsgetümmel ergibt:

Sucht man die konkrete Liste der registrierten Gefahrensymbole im gelben Warndreieck, benötigt man die Norm ISO 7010:2011. Sukzessive werden die registrierten Zeichen durch ergänzende Normen-Anhänge (Amendments) erweitert: DIN EN ISO 7010/A1-A6 (Amendment 1 bis 6, 2014‑2016). Allerdings werden so für einige wenige Symbole extra kostenpflichtige Normen definiert, was die fragwürdige Kostenstruktur für Normen nur noch verstärkt.

Im Internet gibt es zahlreiche Firmen, die Produktaufkleber nach ISO und ANSI (so weit als möglich harmonisiert) anbieten. Die folgenden Bilder sind z. B. einem Artikel der Firma Clarion entnommen „The latest updates to the ANSI and ISO product safety label standards“. Geoffrey Peckham, CEO von Clarion, ist Vorsitzender des ANSI-Z535-Komitees.

Das Design der ersten Darstellung ist nicht für Warnhinweise in Dokumenten gedacht. Es ist offenbar ANSI-, aber nicht mehr ISO-konform, weil die neue ISO 3864 mindestens ein ISO-Symbol voraussetzt:

ISO allein bevorzugt textfreie Aufkleber, z. B.

Wir empfehlen, Warnhinweise standardmäßig mit Hilfe des Symbols W001 (allgemeines Warnzeichen) zu kennzeichnen. Man kann dann dieses Warnsymbol bei bestimmten Gefahren, z.B. bei elektrischen Gefahren, durch das entsprechende Warnsymbol ersetzen. Da ISO‑Symbole oft nicht selbsterklärend sind, müssen sie in der Produktdokumentation erläutert werden. Das folgende Symbol z.B. weist nicht etwa auf einen gebotenen Mindestabstand hin, sondern auf die Gefahr von Handverletzungen:

ANSI (American National Standards Institute) stellt das amerikanische Gegenstück zum DIN (Deutsches Institut für Normung) bzw. ASI (Austrian Standards Institute) dar. NEMA (National Electrical Manufacturers Association) verwaltet und veröffentlicht die ANSI-Z535-Reihe.

Der vollständige Name der Norm lautet:

ANSI Z535.6-2011 Product Safety Information in Product Manuals, Instructions, and Other Collateral Materials (Contains November 1, 2011 Errata)

Die ANSI Z535 umfasst folgende Einzelnormen:

  • ANSI Z535.1 American National Standard for Safety Colors
  • ANSI Z535.2 American National Standard for Environmental and Facility Safety Signs
  • ANSI Z535.3 American National Standard for Criteria for Safety Symbols
  • ANSI Z535.4 American National Standard for Product Safety Signs and Labels
  • ANSI Z535.5 American National Standard for Safety Tags and Barricade Tapes (for Temporary Hazards)
  • ANSI Z535.6 American National Standard for Product Safety Information in Product Manuals, Instructions, and Other Collateral Materials

Man sollte die Norm Z535.6 genau lesen, um dann überrascht festzustellen, dass die in Europa so beliebte übertriebene Darstellung von Warnhinweisen genau nicht auf der ANSI Z535.6 beruhen kann: „Because embedded safety messages must be integrated with the surrounding information, they may be presented without any special formatting. When special formatting is used to differentiate embedded safety messages, care should be taken to ensure that the formatting does not unnecessarily interfere with the user reading the information.“

Beispiel einer vermeintlich auf ANSI Z535 beruhenden, aber gerade nicht normenkonformen Gestaltung von Warnhinweisen in Dokumenten:

ANSI Z535.6 bietet im Gegensatz zur Darstellung im farbigen Begrenzungskasten folgende konkrete Gestaltungsvorschläge:

Besonders die eingebetteten Warnhinweise, also typische Warnungen in Anweisungsfolgen, sehen völlig unscheinbar aus, im Vergleich zu den vermeintlich nach ANSI gestalteten Warnkästen. Das ANSI-Design für Produktaufkleber wurde offenbar fälschlicherweise auf die Gestaltung in Dokumenten übertragen.

Im Folgenden ein Beispiel einer möglichen neuen Umsetzung von eingebetteten Warnhinweisen, die sich an der Gestaltung nach ANSI Z535.6 orientiert: Art und Quelle der Gefahr. Ggf. Hinweis zur Gefahrvermeidung

Das Problem bisheriger Warnhinweisgestaltung, in der Regel als Box, ist ja gerade, dass Anweisungsfolgen völlig unterbrochen erscheinen:

Der Anwender nimmt beim Lesen entweder die Texte außerhalb der Warnhinweise nicht mehr richtig wahr, oder er ignoriert einfach die Warnkästen. Beides widerspricht dem Zweck der Norm.

Leider hat sich auch aufgrund der Farbgestaltung, die das vermeintlich „viel schärfere“ US-Recht als Möglichkeit vorsieht, sowie aufgrund einer Fehlinterpretation der ANSI Z535.6 eine Warnhinweisgestaltung durchgesetzt, die geradezu konträr zum Ansatz von ANSI Z535.6 erscheint.

Auch wird allzu oft bei ANSI Z535.6 ein Unterschied zur ISO 3864 unterstellt. ISO 3864 spezifiziert z. B. das gelbe Warndreieck im Gegensatz zum schwarzen Dreieck bei ANSI. ANSI Z535.6 erlaubt das gelbe Warndreieck jedoch explizit. Der Unterschied zwischen ANSI und ISO bei Warnhinweisen besteht darin, dass ANSI aus Gründen der Verständlichkeit auch bei Produktaufklebern Text nahelegt, während ISO die textfreie Darstellung bevorzugt. Allerdings sind zahlreiche ISO-7010-Symbole nicht wirklich selbsterklärend. Die Dokumentation muss daher alle auf einer Maschine dargestellten ISO-Symbole erläutern.

Die Grundnorm für Anleitungen, DIN EN IEC 82079-1, sagt mit Blick auf ISO 9241:

„Gebrauchsanleitungen, die auf elektronischen Medien präsentiert sind, zum Beispiel online oder auf einer Bildschirmdokumentation (siehe 6.7), müssen mit den Anforderungen der Normenreihe ISO 9241 übereinstimmen.“

Vom Grundsatz ist dieser Verweis vollkommen richtig, jedoch ist kein Teil der Normenreihe direkt ohne „Uminterpretation“ geeignet, auf elektronische Dokumentation angewendet zu werden. Zwar gibt es einige Teile, die für frühe Formen der klassischen Online-Hilfe Empfehlungen geben, doch sind diese Grundsätze entweder durch DIN EN IEC 82079-1 selbst abgedeckt oder überholt. Inzwischen sind zahlreiche der 9241-Normen endlich auf einen aktuellen Stand der Technik (ca. 2010 und später) gehoben worden. Folgende Teile der Normenreihe haben eine besondere Relevanz für elektronische Dokumentation:

  • ISO/FDIS 9241-11:2017-09 - Entwurf Teil 11: Gebrauchstauglichkeit: Begriffe und Konzepte (nur englische Fassung)
  • DIN EN ISO 9241-110:2008-09 Teil 110: Grundsätze der Dialoggestaltung (gleiche englische Fassung ist von 2006!)
  • DIN EN ISO 9241-112:2017-08 Teil 112: Grundsätze der Informationsdarstellung
  • DIN EN ISO 9241-210:2011-01 Teil 210:  Prozess zur Gestaltung gebrauchstauglicher interaktiver Systeme (u.a. Definition von „User Experience“)


Es fehlt jedoch ein grundsätzliches Dokument, das die zum Teil sehr allgemeinen Grundsätze auf elektronische Dokumente hin operationalisiert. Für die wichtigste der Normen, 9241-110, haben wir eine Operationalisierung für die Technische Dokumentation versucht, indem wir Schlüsselbegriffe wichtiger 9241-Normen in ihrer Relevanz für elektronische Dokumentation in Beziehungen setzen. Das folgende Bild spiegelt demnach die wichtigsten Schlüsselbegriffe aus den 9241-Normen wider:

Die Operationalisierung der sieben Grundsätze nach ISO 9241-110 für Technische Dokumentation lässt sich so zusammenfassen:

Da technische Dokumente in der Regel auch übersetzt werden, muss auch die neue Norm für Übersetzungsdienstleistungen erwähnt werden. Sie löst die EN 15038 ab und lautet vollständig:

„DIN EN ISO 17100:2016-05 Übersetzungsdienstleistungen - Anforderungen an Übersetzungsdienstleistungen (ISO 17100:2015); Deutsche Fassung EN ISO 17100:2015“

Einerseits stellt diese Norm die wichtigsten Aspekte unter Prozessgesichtspunkten dar. Andererseits fordert die Norm ein 4-Augen-Prinzip und ordnet dem Revisor einer Übersetzung die gleiche Qualifikation zu wie dem eigentlichen Übersetzer. Hier wird besonders deutlich, dass Normen nur Empfehlungen und kein Gesetz darstellen: Heute übliche Vergütungen für Übersetzungen erlauben oft nicht einmal, qualifizierte Übersetzer einzusetzen. Ein 4-Augen-Prinzip ohne separate kostenpflichtige Berechnung muss so „Augenwischerei“ bleiben.

Als Prozessnorm sagt EN ISO 17100 nichts oder wenig aus über die eigentliche Übersetzungsqualität. Die Norm thematisiert alle Prozessaspekte, die die Übersetzungsqualität beeinflussen:

  • Qualifikation von Übersetzern, Revisoren, fachlichen Prüfern, Projektmanagern
  • Technische und technologische Ressourcen
  • Projektvorbereitung, Produktionsprozesse, Projektnachbereitung

Die Übersetzungsqualität selbst ist z. B. durch die Multidimensional-Quality-Metrics-Definition (MQM) sehr detailliert spezifiziert. Die Norm 17100 nimmt auf diese Qualitätsmetrik jedoch keinen Bezug.

Noch Fragen? Kontaktieren Sie Andrea Wagner

Abteilungsleitung Technische Dokumentation  

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