Norm 82079-1 Erstellung von Nutzungsinformationen ist endlich auf Deutsch erschienen

Ein Beitrag von den itl Normenflüsterern: Dieter Gust, Thomas Emrich, David Bodensohn und Philip Rügner.

19, 20, 21 … ich komme!

Inhaltlich haben wir die Norm schon mehrfach vorgestellt, so sind von einer Übersetzung keine Überraschungen zu erwarten. Die verbliebene Wartezeit bis zum Anwendungsbeginn vertreiben wir uns, indem wir die vielen Datumsangaben betrachten:

  • Die Originalausgabe in Englisch wurde im Mai 2019 veröffentlicht, daher die Angabe 2019.
  • Die europäische Normungsorganisation CENELEC hat 2020 die Norm unverändert als europäische Norm (EN) übernommen, daher die Angabe „Deutsche Fassung EN IEC/IEEE 82079-1:2020“.
  • Die Veröffentlichung der übersetzten Norm erfolgt im September 2021, daher die offizielle Bezeichnung „DIN EN IEC/IEEE 82079-1 VDE 0039-1:2021-09“. Diese Bezeichnung ist aber, warum auch immer, nicht im Titelblatt dargestellt.

Überraschungen und Bewährtes

Inhaltlich sollte uns die deutsche Norm weitgehend vertraut sein, gelten viele Formulierungen doch als bewährte Grundlagen einer ernsthaft an ihrer Zielgruppe ausgerichteten Gebrauchsinformation.

Im Detail hält die Norm jedoch ein paar Überraschungen parat, die als „Muss-Formulierung“ doch einige Änderungen in der Dokumentationslandschaft bedeuten könnten. Wir haben darüber bereits berichtet, wie etwa der Wegfall der unbedingten Papierpflicht und anderes mehr.

Unser Fokus heute: Terminologie

Wir wollen in diesem Beitrag auf das Thema Terminologie eingehen. Immerhin kommt die Benennung „Terminologie“ (auch in Mehrwortbegriffen) in der Norm 10-mal vor.

Was sagt die Norm zur Terminologie?

Zur Rolle der Terminologie formuliert die Norm:

  • „Nutzungsinformationen müssen in Hinblick auf Inhalt, Darstellung und Medien konsistent sein. (…) Konsistenz bedeutet z. B. (…) konsistente Terminologie (…).“
  • „Nutzungsinformationen müssen für die Zielgruppe verständlich sein. Dies erfordert: (…)verständliche Terminologie; (…)“
  • „Eine konsistente Terminologie muss in der gesamten Nutzungsinformation, auf dem unterstützten Produkt und seiner Verpackung angewandt werden.“
  • „Eine konsistente Terminologie sollte vereinbart, schriftlich festgehalten und für den Gebrauch in der gesamten Nutzungsinformation kommuniziert werden. Ist eine Übersetzung erforderlich, sollte der Übersetzungsdienstleister Informationen dazu bereitstellen, wie die Benennungen konsistent in die Zielsprache übersetzt wurden.“
  • „Die zugrundeliegende Terminologie sollte vor Erarbeitung des Inhalts der Nutzungsinformation festgelegt und dokumentiert werden.“

Im Grunde definiert die Norm zur Terminologie etwas, was wir bei itl schon lange vertreten: Eine sinnvolle, verständliche Dokumentation erfordert ein explizites Terminologiemanagement, d.h. die von den Inhalten getrennte Erfassung, Diskussion und Pflege aller Fachbegriffe in einer Terminologiedatenbank.

Gratis zu jeder Lieferung: noch mehr Terminologie

Zuliefererdokumentation ist an sich eine knifflige Sache – schon immer. Doch nun könnte eine Forderung der Norm diesen Spezialfall der Terminologiearbeit zu einer noch größeren Herausforderung machen: „Wenn die Nutzungsinformation eines Systems Dokumente von unterschiedlichen anderen Anbietern enthält, kann der konsistente Gebrauch aller Benennungen in allen Dokumenten nicht immer erreicht werden. In diesem Fall muss der Anbieter die Bedeutung der unterschiedlichen Benennungen erläutern, sodass die Zielgruppe die unterschiedlichen Benennungen in unterschiedlichen Dokumenten einfach zuordnen kann.“

Das bedeutet im Klartext: Ein Produkthersteller muss seine eigene Terminologie und die Terminologie seiner Zulieferer abgleichen. Die Norm selbst macht keine detaillierten Aussagen zur Umsetzung. Das bietet einen Spielraum, der in den kommenden Jahren durch die Praxis belebt werden wird.

Wir können uns verschiedene Modelle dabei vorstellen:

  • eine beigefügte Wortpaarliste, in der die Entsprechungen eingesehen werden können
  • ein Glossar, in dem Definitionen und Entsprechungen deutlich gemacht werden
  • eine Nennung in Klammern hinter jedem Terminus

Diese neue Forderung schafft die Notwendigkeit zum Gespräch und zum Austausch über die Fertigungsprozesse eines Unternehmens hinaus. Aus bisherigen Workshops wissen wir, dass viele Teilnehmer diese Forderung für unerfüllbar hielten.

Allerdings geben wir zu bedenken: Wie sollen die Anwender Informationen aus unterschiedlichen Anleitungen sinnvoll verarbeiten, wenn eine unterschiedliche Terminologie verwendet wird? Versteht man da nicht schnell nur noch Zughalt/Station/Bhf/Bahnhof?

Terminologie – eine Herzensangelegenheit?!

Technische Informationen verständlich und zielgruppenorientiert zu formulieren, halten wir für genauso komplex und schwierig wie die Produktentwicklung selbst. Die Norm führt uns nun etwas konkreter vor Augen, was das für die praktische Dokumentationsarbeit „eigentlich“ bedeutet.

Und trotz aller „Muss-“ und „Soll-Formulierungen“: eine Norm bleibt eine Empfehlung, keine unbedingte Pflicht, die auf Punkt und Komma bis ins Detail befolgt werden muss – oder kann.

Beherzigen Sie lieber Folgendes: Terminologie ist das Herz einer jeden Fachinformation. Machen Sie die Terminologiearbeit zu Ihrer Herzensangelegenheit! Wie sagte noch Mark Twain sinngemäß so richtig: „Der Unterschied zwischen dem richtigen und fast richtigen Wort ist derselbe wie zwischen einem Glühwürmchen und einem Blitz."

Noch Fragen? Kontaktieren Sie Andrea Wagner

Abteilungsleitung Technische Dokumentation  

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