Blogbeitragsreihe Barrierefreiheit Teil 1

Barrierefreiheit: Die rechtlichen Grundlagen im Überblick

Die Technische Kommunikation verfolgt das Ziel, komplexe technische Informationen zielgruppengerecht aufzubereiten und über verschiedene Informationskanäle zur Verfügung zu stellen. Informationen sollen stets auffindbar und verständlich sein. Während Webseiten der öffentlichen Verwaltung schon seit geraumer Zeit barrierefrei sein müssen, gab es bislang noch keine Verpflichtung, technische Dokumentation barrierefrei zur Verfügung zu stellen. Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, das zum 28. Juni 2025 in Kraft treten wird, soll sich das ändern – aus gutem Grund.

Was versteht man unter Barrierefreiheit?

Barrierefreie Produkte und Dienstleistungen sind eine Bedingung, um das Ziel einer inklusiven Gesellschaft zu erreichen, in der alle Menschen ein selbstbestimmtes Leben führen können.
In der Praxis profitiert jeder von Barrierefreiheit, da die Struktur der Informationen geordnet ist, der Lesefluss nicht behindert wird und Informationen einfach zugänglich sind. Auch eine gute technische Dokumentation sollte stets die Ansprüche an Barrierefreiheit erfüllen, damit Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen gleichermaßen Informationen erfassen und nutzen können.
Barrierefreiheit bedeutet, dass Produkte und Nutzerinformationen unabhängig und ohne Hilfe von Menschen mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen genutzt werden können. Barrierefreie Medien zeichnen sich u. a. durch große und kontrastreiche Schriften und Illustrationen aus. Zusätzlich muss es Hilfestellung bei der Unterscheidung von Farben geben und Texte sollten vorlesbar und in Einfacher Sprache formuliert sein.
Häufig wird der Begriff der Barrierefreiheit zunächst mit Sehbeeinträchtigungen in Verbindung gebracht. Jedoch können auch weitere Personengruppen von barrierefreier Dokumentation profitieren: 

  • Personen 60+ (Senioren mit Einschränkungen des Sehvermögens, der Reaktionsfähigkeit, der Informationsaufnahme und der Motorik)
  • Erwachsene mit Sehbeeinträchtigung unter 60 (inkl. Menschen mit Farbenschwäche)
  • Vollständig erblindete Erwachsene
  • Erwachsene mit kognitiven Einschränkungen (z. B. wahrnehmen, erkennen, erinnern, urteilen)
  • Erwachsene mit Konzentrationsschwierigkeiten
  • Menschen mit geringen Sprachkenntnissen (sofern keine Anleitung in ihrer Muttersprache verfügbar ist)
  • Menschen mit Lähmungen, die ihre Arme und Hände nur bedingt oder nicht benutzen können

Juristische Hintergründe

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz – kurz BFSG – wird zum 28. Juni 2025 in Kraft treten. Bislang gab es in der Europäischen Union uneinheitliche und teilweise widersprüchliche nationale Anforderungen an die Barrierefreiheit. Vor diesem Hintergrund ist die Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Barrierefreiheitsanforderungen für bestimmte Produkte und Dienstleistungen herbeizuführen.

Auf internationaler Ebene bildet die EU-Richtlinie 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen und zur Änderung anderer Gesetze die Grundlage für das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz. Artikel 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 wurde am 22. Juli 2021 verkündet. Die Richtlinie enthält in Anhang I einen detaillierten Katalog an Barrierefreiheitsanforderungen, die die privaten Wirtschaftsakteure künftig beachten müssen.

Die harmonisierte Norm ISO ETSI EN 301 549 - V3.2.1 - Accessibility requirements for ICT products and services ist die internationalisierte Antwort auf die Anforderungen von Standardisierungsbemühungen der Europäischen Kommission an CEN, CENELEC und ETSI. Darüber hinaus spiegelt sie die W3C WCAG 2.1 Recommendations (= Word Wide Web Consortium: Web Content Accessibility Guidelines) wider. Die WCAG 2.1 Recommendations wurden am 05.10.2023 durch die WCAG 2.2 Recommendations erweitert, die weitere Kriterien für barrierefreie Inhalte definieren. Bei den „Guidelines“ handelt es sich um Richtlinien, die die Zugänglichkeit von Webinhalten erhöhen sollen. Auf nationaler Ebene existiert bereits die Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (oder auch Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung – BITV 2.0). 

Es ist eindeutig, dass die Technische Kommunikation den Forderungen nach Barrierefreiheit Rechnung tragen muss. Bereits in der Grundnorm für technische Kommunikation (DIN EN IEC/IEEE 82079-1:2019 (2021)) wird die Entsprechung von Navigation und Information an ISO/IEC 40500_2012 (W3C Web Content Accessibility Guidelines) gefordert.

Wenn Technische Kommunikation, als barrierefreies PDF verfügbar sein soll, muss der Standard PDF/UA Anwendung finden. Dabei handelt es sich um einen Substandard des PDF-Standards (ISO 32000-1) für barrierefreie Dokumente. Er wird in ISO 14289-1:2012 (Dokumenten-Management – Erweiterung zur Barrierefreiheit für das Elektronische Dokumenten-Dateiformat) abgebildet, die die Anforderungen für barrierefreie PDFs definiert.

Fazit

Mit bestehenden Empfehlungen und Verpflichtungen stellt sich die Frage, wie Barrierefreiheit eindeutig nachgewiesen werden kann – und vor allem – wie Defizite hinsichtlich einer barrierefreien Bereitstellung aufgedeckt werden können. Viele Unternehmen sind verunsichert, ob sie ihre Inhalte ab dem 28. Juni 2025 barrierefrei zur Verfügung stellen müssen. Auf diese Punkte wird Teil 2 unserer Blogbeitragsreihe näher eingehen.

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Barrierefreiheit in Österreich

In Österreich wurde kürzlich die Verabschiedung des Barrierefreiheitsgesetz beschlossen. Dieser Beschluss ändert auch das Bundesgesetz, sowie das Sozialministeriumsservicegesetz. Wie in Deutschland, soll das neue Gesetz ebenfalls am 28. Juni 2025 in Kraft treten.